Re:Generation

Der Wohnraum in urbanen Regionen wird eine immer knappere Ressource. Es besteht ein seit Jahren wachsender Bedarf im Bereich des bezahlbaren Wohnraums. Das Wachstum an den Siedlungsrändern kann diesem Bedarf aber nur bedingt gerecht werden und ist politisch auch oft nicht gewünscht. So liegt der Fokus richtigerweise auf der Verdichtung unserer Städte. In den vergangenen Jahrzehnten wurden bedingt durch den strukturellen Wandel häufig ehemals industriell genutzte Flächen zur „Konversion“, also zur Umnutzung freigegeben. Da diese Ressource mittlerweile weitgehend erschöpft ist, wird Wohnraum zunehmend in Form von punktuellen Ergänzungen, Umbauten oder Nachverdichtungen realisiert. Diese Eingriffe erfordern einen sensiblen Umgang mit dem Kontext und eine Rücksichtnahme auf die Interessen der Bewohner.

 

Bezahlbaren und qualitativ hochwertigen urbanen Wohnraum für alle gesellschaftlichen Milieus anzubieten ist also eines der drängendsten Probleme der zeitgenössischen Stadt. Die Teilhabe am urbanen Leben darf nicht den ökonomisch stärksten gesellschaftlichen Gruppen vorbehalten bleiben, das Leben in der Stadt kein Exklusivrecht werden. Gerade im Bereich der mittleren und unteren nicht geförderten Segmente verlieren die Städte aktuell viel Wohnraum. Das Problem als solches ist mittlerweile erkannt, es gibt allerdings auch hier keinen allgemeingültigen Lösungsansatz. Erschwerend kommt hinzu, dass sich unsere Gesellschaft gleich in mehreren disruptiven Umbrüchen befindet: Die Digitalisierung und Wirtschaftsliberalisierung der vergangenen Jahrzehnte lassen soziale Verwerfungen offensichtlich werden. Die traditionellen Lebens- und Wohnformen, wie wir sie kennen verändern sich nachhaltig. Der Klimawandel fordert mit zunehmender Massivität eine schnelle und umfassende Veränderung unserer Lebensstile. Mehr und mehr Städte rufen den Klimanotstand aus. Die Stadt Zürich hat beispielsweise das Ziel der 2000 Watt-Gesellschaft ausgerufen. Der Perimärenergiebedarf darf pro Einwohner darf 2000 Watt nicht überschreiten, die CO2 -Emission darf nicht mehr als eine Tonne pro Jahr betragen. Rechnet man diese Werte auf den Wohnraum um, so erfordert das Ziel eine Begrenzung von 38 m2 Wohnfläche pro Person und eine massive Überprüfung unseres Mobilitätsverhaltens und Energieverbrauchs.

 

Die Verdichtung von Wohnraum und Stadtquartieren scheint einer der zielführendsten Wege zum Erreichen dieser Ziele zu sein. Doch auch soziale und ökonomische Gründe machen das Leben in Gemeinschaften zum interessanten Lebensentwurf. Einerseits brauchen wir dringend den Wohnraum in den Städten, andererseits gibt es immer weniger Menschen mit mittleren und geringen Einkommen die sich das Leben in der Stadt leisten können. Das (eigentlich sehr klassische) Modell der Genossenschaften scheint hier der Gegenentwurf zur kapitalorientierten Verteilungslogik von Stadt zu sein. Der ungeheure Erfolg und der Zulauf, den die neuen Genossenschaften gerade erfahren, ist ein klares Indiz für die Zukunftsfähigkeit dieser Lebensmodelle. Es scheint dass mehr und mehr Menschen bereit sind, auf individuellen Besitz zu verzichten und Raum und Ressourcen zu teilen. Diese neuen Gemeinschaften haben eine ähnliche Funktion wie sie einst die Dorfgemeinschaft hatte: In der Gruppe können Aufgaben, Rollen und auch Räume geteilt werden und der einzelne erfährt eine stärkere Unterstützung.

Die neuen Gemeinschaften von heute sind aber nicht die Dorfgemeinschaften von einst, in die man hineingeboren wurde und die die individuelle Entwicklung zu zugunsten einer starken Gemeinschaft zurückstellten. Es sind Wahlgemeinschaften, die auf gemeinsamen Interessen, Werten oder auch Lebenslagen basieren. Das unterscheidet die klassische Dorfgemeinschaft vom urbanen Dorf. Das urbane Dorf ist also eine überschaubare städtische Gemeinschaft: ein Stadtquartier. Die konventionelle Planung, häufig durch wirtschaftliche Interessen motiviert, neigt dazu marktgerechte Lebensräume zu produzieren, innerhalb derer sich die Nutzer dann einrichten. Das urbane Dorf dagegen geht von der Gemeinschaft aus, die aus Individuen besteht und als Ganzes doch mehr als die Summe ihrer Teile ist. Diese Emergenz ist es, die uns interessiert. Sie macht das urbane Dorf gemeinschaftsorientierter und erzeugt eine höhere architektonische und stadträumliche Qualität.